Nach alle dem, was in den letzten Monaten im Zuge der Spionageaffäre vorgefallen ist, war es überfällig, ein deutliches Zeichen über den Atlantik zu senden. Erst die massenhafte Datenauspähung deutscher Bürger durch den US-Geheimdienst NSA, dann das Abhören des Handys der Kanzlerin und nun noch die Enttarnung von zwei Doppelagenten, die für die USA spioniert hatten. Die Verärgerung in der Bundesregierung ist wahrscheinlich größer als sie es je war. Ungewöhnlich klare Worte von der sonst so behutsamen Kanzlerin und ihren Kabinettsmitgliedern waren zu vernehmen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nannte das Vorgehen der Amerikaner eine „Dummheit“. Angela Merkel verwies darauf, dass man im Angesicht von großen sicherheitspolitischen Herausforderung wie dem Syrien-Konflikt beim Auspionieren von Verbündeten seine Kräfte vergeude. Die US-Seite zeigte sich derweil verstimmt und uneinsichtig. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte am Freitag: „Alle Differenzen, die wir haben, sind am effektivsten über bestehende interne Kanäle zu lösen, nicht über die Medien“.
Doch wurden die „internen Kanäle“ wohl inzwischen ausgereizt. Schließlich haben die Kanzlerin und auch ihr Außenminister oft genug darauf hingewiesen, dass wir keine Spionageaktivitäten gegen unser Land dulden können, auch nicht von eigentlichen Partnern. Der Verweis darauf, dass die Russen und Iraner mehr in Deutschland spionieren, hinkt. Schließlich nehmen diese Staaten nicht für sich in Anspruch sicherheitspolitische Partner zu sein und befinden sich auch in keinem Verteidigungsbündnis mit uns. Die Konsequenzen aus solch einem Verhalten können weitreichend sein. Die Stimmung gegenüber den USA ist in der deutschen Bevölkerung deutlich abgekühlt. Seit längerem schon kann man Zweifel hegen, ob die transatlantische Partnerschaft im 21. Jahrhundert noch den gleichen Stellenwert für unser Land hat. Schließlich ist nicht nur der gemeinsame Feind abhandengekommen. Deutschlands gestiegenes Gewicht in der Welt und der zunehmende Interessenkonflikt zwischen den beiden Mächten sorgen nicht gerade für mehr Eintracht.
Ob Spionage bei Verbündeten Sinn macht, darf ohnehin hinterfragt werden. Selbst wenn wir engere Kontakte zu Russland und dem Iran hegen als die meisten anderen Westmächte, bleib doch fraglich, ob das im sicherheitspolitischen Interesse der Vereinigten Staaten liegt. Wenn ein Verbündeter wie Deutschland bspw. eine Pipeline durch die Ostsee gemeinsam mit Russland betreibt, kann man das wohl schwerlich als Bedrohung für die USA verstehen. Ob es nun sicherheitspolitische Paranoia oder außer Kontrolle geratene Geheimdienste sind, solange die Amerikaner nicht ohne Wenn und Aber das „No-Spy-Abkommen“ unterzeichnen, kann und darf es auch kein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU geben. Schließlich sind wir keine Kolonie, der man auferlegen kann was sie zu tun hat und auf deren Boden man sich verhalten kann wie man will. Die Kanzlerin hat einen Amtseid geschworen: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen [und] Schaden von ihm wenden […] werde.“ Das beinhaltet auch Schaden, der einem von angeblichen Freunden zugefügt wird.